Cranzer Fischdampfer AG, Hamburg
Trawler / Seitenfänger "HH 318 Euros"
Nach Ende des zweiten Weltkrieges erlebte die deutsche Hochseefischerei in den 1950er Jahren eine große Blütezeit. Der Wiederaufbau der weitgehend verloren gegangenen Fangflotte führte in dieser Zeit zu einem Auftrags-Boom bei den deutschen Werften. Damals konnten 90% der westdeutschen Nachfrage nach Fischprodukten und Frischfisch durch die bundesdeutsche Fangflotte abgedeckt werden. Zu dieser Zeit dominierte noch der sogenannte Seitenfänger als Schiffstyp. Dieser wurde erst ab den 1960er Jahren zunehmend und ab Ende der 1960er Jahre radikal durch den seit 1957 in den Flotten der großen deutschen Fischereibetriebe vertretenen Typ des Heckfängers abgelöst. Die Heckfänger wurden ebenfalls weiterentwickelt zu Fabrikschiffen mit Verarbeitungsanlagen für den Fang.
Als Neubau Nr. 846 der Hamburger Traditionswerft H.C. Stülcken Sohn wurde 1955 die "Euros" auf Kiel gelegt. Auftraggeber war die Cranzer Fischdampfer AG mit Sitz in Hamburg. Nach dem Neubau des Trawlers "Boreas" im Jahr 1954 war das Schiff der zweite Neubau einer Serie von drei weitgehend identischen Seitenfängern für die Cranzer Fischdampfer AG. Als drittes Schiff kam 1956 die "Zephyros" in Fahrt.
Alle drei Schiffe waren nach den Winden benannt, die der griechischen Sage nach Äolus, der von Zeus benannte Herrscher der Winde in Schläuchen aus Leder gefangen hielt und nur nach dem Willen der Götter oder seinem eigenen Willen frei ließ.
Boreas: Der beißende, scharfe Nordwind
Euros: Der heiße Ostwind
Zephyros: Der milde Westwind
Alle drei Trawler liefen ab Hamburg als Heimathafen zu ihren ausgedehnten Fangreisen zum Fang von Rotbarsch und Kabeljau aus.
Ab der zweiten Hälfte der 1960er Jahre verschlechterte sich die wirtschaftliche Situation der Cranzer Fischdampfer AG zusehends. Gründe hierfür waren auf der einen Seite die stetig zunehmenden Importe von Fischprodukten und Frischfisch aus anderen Ländern in Europa und der zugleich zu verzeichnende Rückgang des Fischkonsums der Bundesbürger in den 1960er Jahren. Dies brachte die Preise unter Druck und führte folgend zu massiven Verlusten. Allein 1967/1968 verzeichnete das Unternehmen einen Verlust in Höhe von rund 3.000.000,-- DEM. Dies war jedoch kein Einzelfall in der deutschen Hochseefischerei, denn die Probleme betrafen alle Betriebe in der Bundesrepublik Deutschland. Der Hamburger Senat begann mit Subventionen, welche sich über die Jahre summiert auf rund 20.000.000 DEM beliefen. Diese konnten jedoch den Untergang des Unternehmens gegen Ende der 1960er Jahre nicht verhindern. Kurzzeitig kamen noch im Herbst 1968 Gedanken an eine Fusion mit der Hochseefischerei Kiel GmbH auf – diese war jedoch in ähnlicher Lage und damit war das Vorhaben nicht tragfähig. Bereits seit 1967 war die Hansestadt Hamburg mit mehr als 90% des Stammkapitals als Großaktionär an dem Unternehmen beteiligt. Am Ende wurde die Cranzer Fischdampfer AG liquidiert, nachdem der Geschäftsbetrieb 1969 eingestellt worden war. Ein Teil der Fangflotte, welche noch aus 10 Schiffen bestand wurde verkauft. Die moderneren Heckfänger kamen z.B. anderweitig in Fahrt. Für die "Euros" bedeutete die Einstellung des Geschäftsbetriebes 1969 jedoch die Verschrottung in Lübeck.
Technische Daten:
IMO Nr.: 5109629 / BRT 646 / Länge: 63,59 Meter / Breite: 9,10 Meter / Tiefgang: 4,30 Meter / Besatzung 30 Mann / Antrieb über drei Maybach Dieselmotoren (Typ MD330), 3x660 PS, 1 Propeller / Geschwindigkeit 13,5 Knoten / Fischräume für 5400 Korb Fangmenge
Das Modell: gebaut 1955 bei M. A. F. Ihlenfeldt Hamburg-Blankenese im Maßstab 1:100
Das hier gezeigte Reedereimodell befand sich bis zu dessen Tod im Jahr 2016 im Besitz des ehemaligen Geschäftsführers der Cranzer Fischdampfer AG und späteren Wirtschaftssenators der Freien und Hansestadt Hamburg, Herrn Helmuth Kern. Über seine Familie fand es 2022 den Weg in meine Samlung und wird nun der Öffentlichkeit digital zugänglich gehalten.
Link zu Informationen über Herrn Helmuth Kern